Warum uns Inselfrauen auf Dauer nicht glücklich machen

Neulich hat sich meine Freundin Sybille mal wieder bei mir gemeldet. Sie war noch gar nicht zum eigentlichen Thema ihres Anrufs gekommen, da wusste ich schon, was passiert war: mal wieder ging eine Beziehung, die sie anfangs für die große Liebe hielt, zu Ende.

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Ich wusste es, weil sich Sybille immer nur dann meldet. Wenn die Zeiten rosig und die Liebe frisch ist, tja, dann taucht Sybille nämlich komplett ab.

Ja, sicher, wir kennen das vermutlich alle: wenn wir eine tolle Frau kennen gelernt haben und himmelhochjauchzend in sie verliebt sind, wollen wir am liebsten 24/7 mit ihr zusammen sein und haben wenig Sinn für anderes.

Gewöhnlich normalisiert sich dieser Ausnahmezustand des Verliebtseins aber nach einiger Zeit, und wir genießen zwar nach wie vor die gemeinsamen Stunden mit unserer Flamme, aber erinnern uns auch wieder an unsere platonischen Freundinnen, das Handballtraining, den Geburtstag der Schwester oder auch daran, Oma im Heim zu besuchen.

Sybille isoliert sich mit ihrer Liebsten auf einer einsamen Insel

Bei Sybille ist das anders. Sie ist das, was ich als Inselfrau bezeichne. Lernt sie eine Partnerin kennen, springt sie sofort mit ihr vom fahrenden Schiff und schwimmt an ihrer Seite an den goldgelben Strand einer einsamen Insel im Westpazifik. Dort lebt das Paar dann eine Weile im vollkommenen Glück, um sich herum nur Meer, Sonne und gelegentlich ein vorbeiziehendes Containerschiff. Hobbys, Freunde, Familie? – Fehlanzeige! Das wird zwei Wochen/ zwei Monate oder zwei Jahre lang – je nachdem, wie lange das Inselglück dauert – einfach ausgeblendet.

Interessanterweise gerät sie meist an Frauen, die kein stabiles soziales Umfeld haben, keinen Sport treiben und auch sonst keiner regelmäßigen Freizeitbeschäftigung nachgehen, sondern rein auf die Liebe fokussiert sind. Sybille und ihre jeweiligen Partnerinnen ergänzen sich damit perfekt.

Sybille, mittlerweile 42, wünscht sich eine Beziehung für’s Leben. „Bis das der Tod uns scheidet“ sind für sie nicht leere Worte, sondern ihr Ideal. Die Realität sieht leider anders aus. Die anfängliche Romantik des Insellebens endet meist mit einem zerstörerischen Knall – dann nämlich, wenn beide Frauen erkennen, dass das isolierte Dasein als Robina Hood und Miss Freitag sie so ineinander verschmelzen hat lassen, dass beide ihre Konturen völlig verloren haben. Die Uniformität im Denken und Handeln mündet schließlich in Langeweile und Frustration. Getrieben von der Enttäuschung hoher Erwartungen („Ich dachte wirklich, sie ist die Frau für‘s Leben!“) gehen sich Sybille und ihr vermeintlicher Seelenzwilling irgendwann so auf die Nerven, dass eine Trennung unvermeidlich ist.

Liebe fußt auf Anziehung, aber auch auf Unterschieden

Zurück bleibt eine tieftraurige, resignierte Sybille, die sich nun wieder an ihre (platonischen) Freundinnen von früher erinnert – und oftmals den nächsten herben Schlag versetzt bekommt, wenn sie erkennen muss, dass einige von ihnen die Freundschaft längst abgeschrieben haben. Aus den Augen, aus dem Sinn, lautet nicht umsonst ein bekanntes Sprichwort…

„Was mache ich nur falsch mit den Frauen?“, weinte Sybille verzweifelt ins Telefon.
„Gib nicht immer dein gesamtes Leben auf, wenn du dich verliebst!“, lautete meine spontane und simple Antwort. Ihr, einer waschechten Inselfrau, begreiflich zu machen, was ich damit meine, war eine echte Herausforderung.

Ja, Liebe ist etwas Schönes, gerade dann, wenn sie erwidert wird. Ja, dieses Bedürfnis, mit der Liebsten allein zu sein, ist gerade am Anfang der Beziehung völlig normal. Dennoch sollte frau sich selbst nie aus den Augen verlieren.

Liebe fußt auf gegenseitiger Anziehung. Gemeinsamkeiten verbinden. Doch oft sind es die kleinen Unterschiede, die in einer Partnerschaft das Salz in der Suppe ausmachen. Nur Narziss in Ovids Metamorphosen verliebt sich in sein Ebenbild, und auch diese Liebe endet bekanntlich alles andere als zufriedenstellend.

Inselfrauen sondern sich selbst und ihre Partnerin ab. Input von außen fehlt, individuelle Bedürfnisse werden aneinander angeglichen. Individualität geht verloren. Der einzige Fokus des Lebens ist auf die Partnerschaft gerichtet. Frau und Frau verschmelzen zu einer vermeintlichen Einheit, in der gegenseitige Anziehung und reizvolle Unterschiede keinen Raum mehr haben. Aus anfänglicher Liebe wird eine ungesunde, gegenseitige Abhängigkeit.

Zurück bleibt ein Häufchen Elend ohne Freunde

Dass so etwas auf Dauer nicht gut gehen wird, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen: auch ich habe mich einst in eine Inselfrau verliebt und war so entzückt von der (ungewohnten) hundertprozentigen Aufmerksamkeit, die sie mir entgegenbrachte, dass ich Freunde und Hobbys nicht vermisste. Der Tag war ausgefüllt mit ihr, meine Gedanken irgendwann ebenso. „Meiner“ Inselfrau wurde es irgendwann zu langweilig und sie ließ mich fallen. Zurück blieb ich als Häufchen Elend ohne soziales Auffangnetz.

Das alles sagte ich Sybille. Ob sie nun verstanden hat, dass sie weder sich noch ihrer Partnerin etwas Gutes tut, wenn sie ihr ganzes Sein, Handeln und Denken auf die Partnerschaft ausrichtet, kann ich nur hoffen, denn es ist nun mal seit Jahren ihr Modus operandi. Allen anderen kann ich nur raten: seid vorsichtig mit diesen Inselfrauen. Auf Dauer machen sie weder euch noch sich selbst glücklich.

Carolin Schairer
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